BFH, Urteile vom 27.7.2016, Aktenzeichen I R 8/15, I R 12/15
Eine Kapitalgesellschaft verfügt nur über eine betriebliche und nicht über eine private Sphäre. Aus diesem Grund sind sämtliche Vermögensgegenstände, die eine Kapitalgesellschaft anschafft, Betriebsvermögen, und sämtliche Aufwendungen, die einer Kapitalgesellschaft erwachsen, Betriebsausgaben. Trägt eine Kapitalgesellschaft allerdings Aufwendungen im privaten Interesse des Gesellschafters oder verzichtet die Gesellschaft aufgrund privater Interessen des Gesellschafters auf Erträge, wird die Vermögensminderung oder die verhinderte Vermögensmehrung gewinnwirksam – im Rahmen der gesetzlichen Fiktion der verdeckten Gewinnausschüttung – korrigiert. Im Ergebnis mindert der Betrag der verdeckten Gewinnausschüttung das zu versteuernde Einkommen der Gesellschaft nicht und der Gesellschafter hat den nämlichen Betrag als Einkünfte aus Kapitalvermögen – entweder im Rahmen des Teileinkünfteverfahrens oder der Abgeltungsteuer – zu versteuern.
Aus steuerlicher Perspektive ist es also grundsätzlich anzuerkennen, wenn eine Kapitalgesellschaft eine Immobilie erwirbt und an ihren Gesellschafter vermietet. Die Anschaffungskosten des Gebäudes sind im Rahmen von Abschreibungen und die laufenden Unterhaltskosten unmittelbar als Betriebsausgaben steuerlich abzugsfähig. Zur Vermeidung einer verdeckten Gewinnausschüttung ist allerdings erforderlich, dass der Gesellschafter seiner Gesellschaft eine fremdvergleichskonforme Miete zahlt.
Laut der BFH Rechtsprechung vom 27.7.2016 ist eine fremdvergleichskonforme Miete in diesen Konstellationen nur gegeben, wenn die Miete der Höhe nach geeignet ist, die von der Kapitalgesellschaft getragenen Kosten zu decken (Kapitalverzinsung 4,5%, Gebäude-Abschreibung, Instandhaltung nach der Zweiten Berechnungsverordnung – II. BV) und zusätzlich einen angemessenen Gewinnaufschlag (5%) enthält. Die ortsübliche Marktmiete spielt keine Rolle. Diese Ansicht wird durch die Kontrollüberlegung getragen, dass ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter nur dann bereit wäre, die Anschaffungs- und Unterhaltskosten einer Immobilie, die für private Zwecke eines Gesellschafters verwendet wird, zu tragen, wenn der Gesellschaft nicht nur die Kosten ersetzt werden, sondern ihr auch ein angemessener Gewinn verbleibt. Dabei bezieht sich die Voraussetzung, dass ein angemessener Gewinn auf Ebene der Gesellschaft verbleiben muss, nicht auf eine veranlagungszeitraumübergreifende Betrachtung der Gesamtnutzungsdauer der Immobilie, wie es zur Überprüfung der Einkunftserzielungsabsicht bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung im privaten Bereich der Fall ist (Totalgewinnprognose). Vielmehr ist erforderlich, dass der Gesellschaft in jedem Veranlagungszeitraum seit der durch den Gesellschafter privat veranlassten Anschaffung und Vermietung ein angemessener Gewinn erwächst. Ausnahmsweise ist eine nicht fremdvergleichskonforme Miete anzuerkennen, wenn die Gesellschaft ein wirtschaftliches Konzept vorlegt, das plausibel erklärt, dass sie trotz einer nicht fremdvergleichskonformen Vermietung eine Rendite aus der Investition erzielt.
Für die Beratungspraxis bedeutet dies, dass in den einschlägigen Vermietungskonstellationen bereits vor Verwirklichung des Sachverhalts – also vor Anschaffung und Vermietung – genau kalkuliert werden muss, ob die Miete die Anschaffungs- und Unterhaltskosten zuzüglich eines Gewinnaufschlags abdeckt. Ist der Sachverhalt bereits verwirklicht und wurde eine zu geringe Miete vereinbart, verbleibt dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit, die Finanzbehörden durch die Präsentation eines wirtschaftlich tragfähigen Konzepts davon zu überzeugen, dass die Gesellschaft aus der Nutzung der Immobilie eine Rendite erzielen wird. Hier kann zum Beispiel auf einen geplanten Verkauf der Immobilie mit Gewinn abgestellt werden.